Was ist das Hotel Silber

1845 als Gasthaus “Zum Bahnhof” an der zunächst noch namenlosen, dann, vom ersten württembergischen König Friedrich I. nach seiner Mutter, der Herzogin Dorothea, benannten Dorotheenstraße hinter dem Alten Schloss gebaut, wurde der Bau 1858 “Zum Bayrischen Hof” erweitert, 1874 als Nobelhotel von Heinrich Silber ausgebaut und bis 1919 als “Parkhotel Silber” betrieben – als “Haus ersten Ranges”. Dort stieg die bessere Stuttgarter Gesellschaft ab, feierte ihre Festivitäten, ihre Hochzeiten, der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) wurde dort gegründet

 

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Doch nach dem Ersten Weltkrieg war die gute Zeit der Nobilität vorbei, die wechselvolle wenig erfreuliche Geschichte des Hauses begann. Von 1919 bis 1928 zog die Generaldirektion der Posten und Telegraphen, die Deutsche Reichspost, ein, von 1928 bis 1937 beherbergte es die Polizei mit ihrem Präsidium. Die Dorotheenstraße wurde 1938 in Wilhelm-Murr-Straße, nach dem damaligen Reichstatthalter, ebenso wie die benachbarte Planie in Adolf-Hitler-Straße umbenannt. Von 1937 bis 1945 folgte die Geheime Staatspolizei der Nazis. Von 1945, nach Wiederherstellung des beschädigten Hauses, Sitz der Stuttgarter Polizei, die 1984/85 dem benachbarten Innenministerium weichen musste.

Von der “Machtergreifung” im Januar 1933 an wurde das Haus zunehmend zum Ort der schlimmsten Verbrechen in dieser Stadt. Bereits am 19. Juni 1933 wurde der letzte Staatspräsident des Landes Württemberg in der Weimarer Republik, Reichstagsabgeordneter des Zentrums, Eugen Bolz, wegen seiner Teilnahme am Parteitag der Christlich Sozialen in Österreich, dort vorgeladen, verhört, gedemütigt, beschimpft, mit Unrat beworfen, in “Schutzhaft” genommen und auf dem Hohenasperg eingesperrt. Als Mitglied des Widerstands des 20. Juli 1944 wurde er am 23. Januar 1945 im Gefängnis Berlin-Plötzensee hingerichtet. Für Kurt Schumacher, den späteren Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei, die Literatin und Kommunistin Lilo Hermann, die Widerstandskämpfer Georg Schwenker, Lina Haag, für Juden, Sinti und für viele andere Nazi-Gegner war es die erste Station auf ihrem Leidensweg. Noch wenige Tage vor Kriegsende am 13. April 1945, OB Strölin übergab am 22.April 1945 die Stadt den einmarschierenden französischen Truppen im Gasthaus Ritter in Degerloch, wurden vier Personen in den noch heute bestehenden Kellern des Gebäudes erhängt.

 

Auszug aus dem Artikel „Der Schrecken lässt sich nicht wegreißen“ von Prof. Roland Ostertag, Stuttgarter Nachrichten vom 17.09.2008